Astronautin steht in einem Raumschiff mit künstlicher Schwerkraft und blickt aus dem Fenster.

Wie man auf einem Raumschiff Schwerkraft erzeugt

Während Raumfahrer in vielen Science Fiction Werken problemlos durch die Gänge ihrer Schiffe laufen können, schweben unsere Astronauten aktuell noch in ihnen herum. Doch künstliche Schwerkraft ist machbar. Wir werfen einen Blick darauf, was man dafür tun muss.

Star Trek, Star Wars, Stargate und Co. – in den meisten Science Fiction Werken laufen die Protagonisten in ihren Raumschiffen herum, als ob sie auf der Erde wären. Meistens wird gar nicht thematisiert, wie das möglich sei. Nur manchmal gibt es eine oberflächliche Erklärung. Dann heißt es etwa, dass ein „Schwerkraftgenerator“ dafür sorge – und fertig.

Das könnte man jetzt als unwissenschaftlich bezeichnen, es hat aber für die Autoren oft künstlerische oder pragmatische Gründe. In einem Film etwa ist Schwerelosigkeit nur schwer umzusetzen. In Apollo 13 aus dem Jahr 1995 wurden zum Beispiel einige Szenen während eines Parabelflugs gedreht. Dabei geht ein Flugzeug in den Sturzflug und die Besatzung fängt an zu schweben. Dieser Zustand kann aber nur eine halbe Minute aufrecht erhalten werden und belastet den Körper enorm. Es mag daher kaum verwundern, wenn Regisseure ihre Filme gleich so anlegen, dass die Protagonisten in den Raumschiffen einfach laufen können – egal ob es eine wissenschaftliche Erklärung dafür gibt.

Solche kreative Entscheidungen betreffen aber nicht nur die Schwerkraft. Auch Schlachtgeräusche im Weltall (die hört man aufgrund des Vakuums nicht) und Kämpfe zwischen Raumjägern (ohne Luft kann man keine schmeidigen Kurven fliegen), gehören zu beliebten kreativen Freiheiten der Autoren.

Doch auch wenn einige Science Fiction Autoren das Thema Schwerkraft in Raumschiffen umgehen wollen, es gibt Möglichkeiten, sie an Bord zu erzeugen.

Schwerkraft durch Beschleunigung

Die erste Möglichkeit wurde durch die Buchreihe The Expanse von James S. A. Corey bekannter und haben wahrscheinlich die meisten von uns bereits am eigenen Körper erfahren: die Schwerkraft durch Beschleunigung. Denn wenn wir in einem Fahrstuhl stehen und er nach oben fährt, spüren wir ein zusätzliches Gewicht, das auf uns lastet. Im Weltraum würde seine Beschleunigung uns an den Boden drücken und dort halten.

Versteckter Fakt zu James S. A. Corey

Hinter dem Autor von The Expanse James S. A. Correy stecken eigentlich zwei: Daniel James Abraham und Ty Corey Franck. Sie teilen sich das Pseudonym, dass sich aus ihren Namen sowie den Initialien von Abrahams Tochter zusammensetzt.

Um die Schwerkraft der Erde zu imitieren, müsste der Fahrstuhl eine konstante Beschleunigung von 9,81 m/s² aufrechterhalten. Das entspricht genau der Gravitationskraft, die wir auf der Erdoberfläche erleben und wird als 1 g bezeichnet.

Genau das passiert in der Buchreihe und auch in der dazugehörigen Serie The Expanse. Dort erzeugen die Raumschiffe in erster Linie Schwerkraft durch Beschleunigung, was die Serie von vielen anderen Science-Fiction-Werken unterscheidet und dabei physikalisch realistisch bleibt. Dementsprechend sind die Raumschiffe wie längliche Zylinder designt und erinnern an klassische Raketen. Der Lebens- und Arbeitsraum besteht dann aus vielen Etagen, die über Leitern miteinander verbunden sind. Man kann sich das ein wenig wie ein Leuchtturm vorstellen. Möchte man von seinem Fuß (den Maschinenraum) zum Scheinwerfer (Cockpit), muss man eine lange Wendeltreppe hochsteigen.

Wie schnell ein Raumschiff für 1 g beschleunigen muss

Um nun die Schwerkraft auf der Erde nachzuahmen, beschleunigen die Raumschiffe in The Expanse mit 9,81 m/s². Das bedeutet, dass ihre Geschwindigkeit pro Sekunde um 9,81 Meter pro Sekunde zunimmt.

  • Nach 1 Sekunde beträgt ihre Geschwindigkeit 35 km/h.
  • Nach 10 Sekunden beträgt ihre Geschwindigkeit 353 km/h.
  • Nach 60 Sekunden beträgt ihre Geschwindigkeit 2.119 km/h.
  • Und so weiter …

Da die Raumschiffe konstant schneller werden und dabei eine Gravitationskraft von 1 g erzeugen, nennt man solche Triebwerke auch konstante 1-g-Antriebe.

Lichtgeschwindigkeit mit konstanten 1-g-Antrieb erreichen

Nach der Relativitätstheorie kann ein Raumschiff keine Lichtgeschwindigkeit erreichen, da es dazu unendlich viel Energie benötigen würde. Es kann sich aber der Lichtgeschwindigkeit annähern (99,9%). Mit 9,81 m/s² müsste es dafür etwa 13,8 Jahre beschleunigen.

Der Vorteil einer konstanten Beschleunigung

Soweit klingt das nach einem guten Konzept für unsere Raumfahrer, wenn wir sie zum Beispiel auf den Mars schicken wollen. Dann müssten sie nicht mehr sechs bis neun Monate in der Schwerelosigkeit verbringen. Denn langfristige Schwerelosigkeit belastet den Körper erheblich. Sie führt zu Muskel- und Knochenschwund, zu Veränderungen im Herz-Kreislauf-System und zu Verschiebungen der Körperflüssigkeiten, die zum Beispiel das Sehvermögen beeinträchtigen können.

Durch die ständige Beschleunigung würde das Raumschiff zudem immer schneller werden, was die Reisezeit zum Mars massiv verkürzen würde. Ein konstanter Antrieb von 1 g würde theoretisch eine Reisezeit von nur etwa 2 bis 3 Wochen ermöglichen.

Damit das Raumschiff nicht ungebremst auf den Mars oder ein anderes Ziel zurast, muss es natürlich abgebremst werden. Aber auch hier müsste die Besatzung nicht auf die Schwerkraft verzichten, denn sie würde ein „Flip-and-Burn“-Manöver durchführen. Dabei beschleunigt das Raumschiff in eine Richtung, dreht sich auf halber Strecke um 180 Grad (das Triebwerk zeigt dann in Flugrichtung) und beschleunigt in die entgegengesetzte Richtung. Dadurch wird der Flug abgebremst, während die Besatzung durch ihre Trägheit weiter in Flugrichtung gedrückt wird. Dadurch bleibt die Besatzung ständig am Boden und muss keine längeren Phasen der Schwerelosigkeit durchleben.

Die Animation zeigt ein Flip and Burn Manöver eines Raumschiffs.

Der Nachteil einer konstanten Beschleunigung

Allerdings gibt es ein Problem, das solche Antriebe derzeit nicht realisierbar macht. In der Raumfahrt ist es äußerst schwierig, eine solche konstante Beschleunigung über einen längeren Zeitraum aufrechtzuerhalten, da dafür große Mengen an Treibstoff benötigt werden. Heutige Raketen müssen immer noch bis zu 90 Prozent der Transportmasse an Treibstoff mitführen. Zwar benötigen sie auch viel Energie, um die Schwerkraft der Erde zu überwinden, aber selbst im Vakuum des Weltraums würden sie noch exorbitante Mengen an Treibstoff benötigen und das Raumschiff müsste entsprechend groß sein.

In The Expanse lösen die Autoren das Problem auf fiktive Weise. Sie führen den so genannten Epstein-Antrieb ein. Der Epstein-Antrieb ist ein hochentwickelter thermonuklearer Antrieb, der auf der Nutzung der Kernfusion zur Erzeugung eines konstanten Schubs basiert. Dabei wird die Energie aus der kontrollierten Verschmelzung von Wasserstoffisotopen (meist Deuterium und Tritium) genutzt, um einen nahezu kontinuierlichen und extrem starken Schub zu erzeugen. Das ist ein großer Unterschied zu den heutigen Triebwerken, die nur in der Verbrennungsphase Schub erzeugen.

Gravitation durch Beschleunigung ist also theoretisch machbar, aber praktisch kaum realisierbar.

Schwerkraft durch Rotation

Wie eben festgestellt, würde eine dauerhafte Beschleunigung eines Raumschiffs zwar für Schwerkraft an Bord sorgen, doch durch die benötigen großen Energiemengen ist es aktuell nicht praktikabel. Doch es gibt eine andere Möglichkeit, die deutlich energiesparsamer ist und in naher Zukunft Realität werden könnte: Zentrifugen. Dabei wird ein Raumschiff beispielsweise mit einem rotieren Ring oder einem torierenden Zylinder augestattet. Durch seine permanente Drehung wirft die Zentrifugalkraft die Raumschiffbesatzung nach außen und drückt sie gegen den Boden des Rings bzw. des Zylinders. Dadurch entsteht ein Gefühl der Schwerkraft.

Die Idee der Rotation zur Erzeugung künstlicher Schwerkraft ist nicht neu. Bereits der russische Raketenpionier Konstantin Tsiolkovsky (1857-1935) gilt als einer der ersten, der über so eine Möglichkeit nachdachte. In den frühen 1900er Jahren veröffentlichte er Arbeiten über die Idee von rotierenden Raumstationen, die durch Zentrifugalkraft künstliche Schwerkraft erzeugen könnten. Seine Visionen von rotierenden Lebensräumen im Weltraum legten die Grundlage für spätere Entwicklungen. Ingenieure wie Wernher von Braun und Science-Fiction-Autoren wie Arthur C. Clarke trugen später wesentlich dazu bei, dass die Idee in der populären Vorstellung vom Weltraum verankert wurde.

Bekannt wurde das Konzept auch durch den O’Neill Zylinder. Dabei handelt es sich um eine hypothetische riesige rotierende Raumstation, die darauf ausgelegt ist, eine langfristige, selbstversorgende menschliche Bevölkerung im Weltraum zu beherbergen. Erdacht hat sie sich der Physiker und Raumfahrtingenieur Gerard K. O’Neill in den 1970er-Jahren.

Weitere Konzepte sind der Stanford-Torus und die Bernal Sphäre.

Der O’Neill Zylinder erzuegt durch eine Rotation eine künstliche Schwerkraft für die Bewohner. (Credit: NASA/Rick Guidice, Public domain, via Wikimedia Commons)

Auch in modernen Science Fiction Werken findet die Idee immer häufiger Verwendung. In der bereits erwähnten Buchreihe The Expanse nutzt die größte Raumstation im Sonnensystem – die Tycho Station – diese Art der Schwerkrafterzeugung und die Raumschiffe in Interstellar und Der Marsianer besitzen ebenfalls einen rotierenden Ring, damit die Besatzung am Bord auf dem Boden bleibt.

Das Raumschiff Hermes aus "Der Marsianer" besitzt einen Ring für künstliche Schwerkraft, der in der Mitte um eine Achse rotiert.
Das Raumschiff Hermes aus „Der Marsianer“ besitzt einen Ring für künstliche Schwerkraft, der in der Mitte um eine Achse rotiert. (Screenshot: Der Marsianer)

Die Vorteile der Rotation zur Erzeugung künstlicher Schwerkraft

Wann immer Science Fiction realistisch sein will, stellt sie Raumschiffe mit einem Ring dar. Das hat den großen Vorteil, dass es technisch bereits machbar ist. Im Gegensatz zu spekulativen Technologien wie Gravitationsgeneratoren oder Epstein-Antrieben erfordert Rotation keine neue Physik und ist konzeptionell einfach umzusetzen.

Zahlreiche Studien und Konzepte für Raumstationen und Kolonien haben gezeigt, dass es prinzipiell möglich ist, rotierende Strukturen im Weltraum zu bauen, die künstliche Schwerkraft erzeugen. Dies macht Rotation zu einer der derzeit realisierbarsten Methoden der Gravitationserzeugung im Weltraum.

Einmal in Rotation versetzt, erfordert die Erzeugung künstlicher Schwerkraft kaum weiteren Energieaufwand, da sich das System aufgrund des Trägheitsprinzips weiter dreht. Denn im Weltraum gibt es keine Luft, die die Rotation bremsen würde. Zwar kann es sich nicht unendlich drehen, da die Reibung an den Achsen die Rotation kontinuierlich verlangsamt, aber dennoch ist die Methode vergleichsweise energieeffizient.

Was ist das Trägheitsprinzip?

Das erste Newtonsche Gesetz – auch als das Trägheitsprinzip bekannt – besagt, dass ein Körper in seinem Bewegungszustand verharrt, solange keine äußeren Kräfte auf ihn einwirken. Ein ruhender Körper bleibt in Ruhe, und ein Körper in Bewegung bewegt sich gleichförmig geradlinig weiter, wenn keine Kraft ihn beschleunigt, abbremst oder umlenkt.

Die Nachteile der Rotation zur Erzeugung künstlicher Schwerkraft

Wenn alles so einfach ist, könnte man sich fragen, warum die Internationale Raumstation (ISS) keinen Gravitationsring hat. Immerhin leben dort Astronauten mehrere Monate auf der Station und könnten ein wenig Schwerkraft sicher gut vertragen.

In Raumstationen mit einer rotierenden Sektion, die künstliche Schwerkraft erzeugt, tritt ein spürbarer Coriolis-Effekt auf, sobald sich Astronauten oder Objekte in diesem System bewegen. Geht beispielsweise ein Astronaut in einem rotierenden Zentrifugalring geradeaus, so wird seine Bewegung scheinbar seitlich abgelenkt. Diese Ablenkung entsteht, weil die Bewegung relativ zum rotierenden System erfolgt. Dies kann zu Orientierungsschwierigkeiten führen, da der Coriolis-Effekt die wahrgenommene Bewegungsbahn verändert. Diese scheinbare Ablenkung muss beim Greifen von Gegenständen oder bei präzisen Handlungen berücksichtigt werden. Außerdem kann der Coriolis-Effekt durch seine Wirkung auf das Innenohr Schwindel oder Übelkeit auslösen, insbesondere bei schnellen Kopfbewegungen.

Dem Corioliseffekt kann durch eine Vergrößerung des Ringes entgegengewirkt werden. Je größer der Durchmesser, desto langsamer kann er rotieren, um die gleiche künstliche Schwerkraft zu erzeugen. Allerdings sind große Strukturen im Weltraum schwierig zu bauen und teuer im Unterhalt. Außerdem müssen wir heute noch das gesamte Material mit Raketen in den Weltraum bringen, und das kostet viel Geld.

Der Ring müsste einen Durchmesser von mindestens 450 m haben, um den Coriolis-Effekt einigermaßen zu kompensieren. Der Materialbedarf für Ring und Station wird auf bis zu 20.000 Tonnen geschätzt. Zum Vergleich: Die ISS wiegt nur 420 Tonnen. Konkrete Zahlen über die Kosten für den Transport ins All sind schwer zu bekommen, Schätzungen gehen aber von 20 bis 50 Millionen US-Dollar pro Tonne aus. Allein das Material für eine Orbitalstation von der Erde zu holen, würde also Unsummen kosten, und dabei ist der Bau der Station noch gar nicht eingerechnet.

Meinung: Welche Methode ist die bessere?

Gravitation durch Beschleunigung und Gravitation durch Zentrifugalkraft – obwohl beide Konzepte physikalisch machbar sind, bleiben sie vorerst Science Fiction. Aber ich kann mir gut vorstellen, dass künftige Raumfahrer durch rotierende Ringe laufen. Der wichtigste Grund: Energieeffizienz. Eine kontinuierliche Beschleunigung benötigt einfach zu viel Energie und würde die Raumschiffe unwirtschaftlich machen. Vielleicht wird es irgendwann einen neuen Antrieb geben, wie den Epstein-Antrieb in The Expanse, aber das ist noch nicht absehbar.

Sicher ist hingegen, dass Ringkonstruktionen theoretisch bereits realisierbar sind. Nur der Preis ist noch die größte Herausforderung. Aber wenn wir uns den Preisverfall der letzten Jahre in der Raketentechnik und auch das neue Wettrennen zum Mond anschauen, wird es hier noch einige Kosteneinsparungen geben. Und mit jedem eingesparten Dollar kommen wir dem Gravitationsraumschiff ein Stück näher.